über Arthrose Behandlungen

Steigerung der Beweglichkeit und Belastbarkeit bei Arthrose

Seit meiner Diagnose, habe ich mich mit vielen Betroffenen über Arthrose ausgetauscht. Bei Keinem ist der Krankheitsverlauf gleich. Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen den Behinderungen, den Entzündungsprozessen, dem Schweregrad der Gelenkzerstörung und den Schmerzen. Und so verhält es sich mit Behandlungsmethoden und Medikamenten. Das, was dem einen hilft, wirkt bei einem anderen überhaupt nicht.

In dem Buch Arthrose selbst heilen werden solche Phänomene aufgegriffen und in engem Zusammenhang mit unserer psychosozialen Situation gesehen. Dazu kommt, dass Angst, Schmerzempfinden, Schmerzgedächtnis und Stress bei jedem Menschen anders ausgeprägt sind. Die Autoren sehen darin eine entscheidende Ursache für die individuellen Heilungsprozesse bei Arthrose. Deshalb verfolgen sie einen multimodalen Behandlungsansatz aus Medizin, Physiotherapie und Schmerztherapie. Sie belegen ihre Aussagen sehr anschaulich mit Erfahrungen aus ihrer beruflichen Praxis, mit Beiträgen von Spezialisten und Studienergebnissen aus Medizin und Psychologie. Das Buch Arthrose selbst heilen befasst sich auch mit den Nebenwirkungen und Gesundheitsrisiken von vielen bekannten Behandlungsmethoden und Medikamenten. U. a. werden Arthroskopie, Denervierung, Gelenkersatz und Stammzellentherapie erklärt; die Vor- und Nachteile, Sinn und Nutzen der verschiedenen Behandlungen werden erörtert.  Beim Lesen habe ich eine sehr aufschlussreiche Beobachtung in der Arthroskopie entdeckt. Bei einer Gruppe von Patienten wurde eine Gelenkspiegelung nur vorgetäuscht; bei anderen wurde ein normaler Eingriff durchgeführt. Nach zwei Jahren ging es allen Beteiligten gleich gut. Keiner wusste während der ganzen Beobachtungsphase von den Placebo Eingriffen. Allein die Überzeugung, dass  dieser operative Eingriff ihre Gelenkfunktion verbessern würde, hat zu positiven Veränderungen geführt. Und auch danach hat sich der Gesundheitszustand bei niemandem verschlechtert. Wichtig ist aber auch, dass die Ärzte von der Behandlung selbst überzeugt und jederzeit optimistisch waren. Und wir müssen uns nun fragen, ob wir wirklich eine Arthroskopie brauchen. Es geht ja auch anders.

Wie dieser positive Einfluss des Arztes/Behandlers mit dem Placeboeffekt zusammenhängt, möchte ich Euch mit dem folgendem Versuch, Scheinakupunktur an Reizdarmpatienten, zeigen. Zwei Behandlungsvarianten wurden dabei miteinander verglichen: Behandlungen mit zusätzlichen aufmerksamen, empathischen und vertrauensvollen Arztgesprächen und ohne persönliche Zuwendung; in einer dritten Vergleichsgruppe wurde niemand behandelt. Und auch bei diesem Versuch verbesserte sich der Gesundheitszustand bei allen Behandelten signifikant; bei denjenigen, mit zusätzlichem Besprechen verdoppelte sich der Behandlungserfolg sogar. Das bedeutet, dass eine gute Arzt Patienten Beziehung mit ausschlaggebend ist für einen positiven Behandlungserfolg. Ebenso wird hier die Wirksamkeit von Akupunktur in Frage gestellt. 

Bei einer Vielzahl von Studien über Arthrose-Behandlungen ist auffällig, dass Placebos genauso gute oder sogar bessere Ergebnisse erzielen. Eine Ärztin hat 198 Studien untersucht, und dabei im Zusammenhang mit Scheinbehandlungen Interessantes herausgefunden. Die Schmerzen und Steifigkeit der Gelenke werden reduziert; die Belastbarkeit wird erhöht; die Funktion der Gelenke und der Bewegungsradius werden verbessert. Bei manipulierten Patienten hat sie äußerst positive Veränderungen, im Vergleich mit Unbehandelten, festgestellt. Auffällig ist auch gewesen, dass Arthrose-Placebos am besten an der Hand wirken und ihre Wirksamkeit von der Hand zum Knie, zur Kombination Hüfte/Knie, zur Hüfte abnimmt. Dabei ist auch die Verabreichungsart wichtig. Injektionen oder Nadeln haben eine stärkere Heilwirkung. Wobei mehrere Injektionen zu besseren Ergebnissen führen als einmalige. Dies beweist auch die überdurchschnittlich hohe Erfolgsquote bei Scheinakupunktur und Scheininjektionen, bei denen die Gabe von Hyaluronsäure vorgetäuscht wurde. Bei Scheinoperationen fällt der Heilungserfolg am besten aus. Tabletten haben die schwächste Wirksamkeit. In Studien über Laser, Magneten, Nahrungsergänzungsmittel, pflanzliche Heilmittel und Bisphosphonate erzielten die Ersatzstoffe ein unterdurchschnittliches Behandlungsergebnis gegenüber anderen Placebos. Vieles deutet darauf hin, dass die Erwartungshaltung und das, was die Patienten von den Therapien wissen, die Wirkung der Behandlungsmethoden beeinflussen. Wird einem Patienten vorgetäuscht, dass er ein Opioid erhält, so spürt er wesentlich stärkere positive Effekte. Denkt ein Patient, dass er mit Kräutern behandelt wird, sind die Erfolgsraten nicht so hoch. Das Gleiche wurde bei Placebos für Salben und für neue Behandlungsmethoden beobachtet. Bei vielen Testergebnissen liegen die subjektiven Beurteilungen von Patienten und Ärzten vor. Die sind positiv, wobei Ärzte wesentlich bessere Beurteilungen abgeben. Auch bei objektiven und radiologischen Messungen zeigt sich die Effektivität von Placebos. Eine Ausnahme bilden Studien zu Chondroitin- und Glucosaminsulfat. Die unwirksamen Stoffe reduzierten zwar die Schmerzen. Aber der Gelenkraum verengte sich in der Placebo-Gruppe; jedoch nicht bei Testpersonen, die einen Wirkstoff erhielten.

Weiß der Betroffene nichts von seiner Täuschung, haben Placebo Behandlungen eine wesentlich höhere Effizienz. Alle Ergebnisse der Meta-Analyse deuten darauf hin, dass viele Behandlungsmöglichkeiten bei Arthrose wirkungslos sind. Es ist naheliegend, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis, die Erwartungshaltung des Patienten, Manipulation, Suggestion, Überzeugungskraft, Voreingenommenheit und Zuversicht, also sehr viele psychosoziale Facetten in den Heilungsprozess einfließen. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass eine Scheinbehandlung nicht bei jedem zu einem positiven Ergebnis führt. „ Das hilft ja alles nichts.“ hat einmal eine Bekannte zu mir gesagt. Oder: „ Das ist das Alter. Da kannst Du Garnichts dagegen machen.“ Die persönliche Einstellung des Einzelnen begünstigt oder verhindert auch den Behandlungserfolg.

Die Verbraucherzentrale hat kritische Berichte über die Gesundheitsrisiken und Wirksamkeit von Chondroitin, Grünlippmuscheln, Glucosamin, Haifischflossen, Hyaluronsäure und MSM ins Netz gestellt und durchleuchtet den Markt mit Gelenkpräparaten; auch über Kurkuma, das im Moment einen Hype aufgrund seiner vielfältigen Heilkräfte hat.

In der Öffentlichkeit wird immer wieder über das Für und Wieder von Heilmethoden berichtet. Warum sind wir trotzdem empfänglich für fragwürdige Pseudomedikamente, operative Eingriffe und alternative Behandlungsmethoden? Warum sind wir bereit Nebenwirkungen und Risiken einzugehen? Ja, vieles davon sind noch nicht einmal kassenärztliche Leistungen. Trotzdem geben wir sehr viel Geld dafür aus.

Es gibt sicherlich Menschen, die einen Gelenkverschleiß gar nicht bemerken und auch solche, die ohne Behinderungen und Schmerzen leben. Mein Nachbar ist so jemand. Er hat Gicht und einen schon fortgeschrittenen Knorpelabbau im Knie. Trotzdem ist ihm nichts anzusehen. Er bewegt sich völlig normal, fährt jeden Tag Fahrrad und treibt regelmäßig Sport; vor allem Krafttraining für die Beine. Im letzten Herbst ist er auf die Zugspitze gewandert. Ein Physiotherapeut hat ihm erklärt, dass Muskelaufbau am effektivsten ist. Das Gehen war schon immer Teil seines Lebens; beruflich in der Gastronomie, privat das Wandern. Auf seine Ernährung achtet er nicht besonders, auf sein Gewicht schon. Er macht Intervallfasten, 16:8. Wegen einer Hauterkrankung und der Gicht verzichtet er auf Milch und beim Fleischkonsum tendiert er mehr zu Geflügel; andere Fleischsorten weniger. Gestern Abend hat er sich sogar Pralinen, einen kleinen Baumkuchen und Wurst gekauft. Natürlich trinkt er auch mal Alkohol, aber nur in einer geselligen Runde. Er raucht nicht. Er ist schon im Ruhestand, hat keine Sorgen und Stress. Im Alltag ist er oft tief versunken im hier und jetzt, so dass er niemanden wahrnimmt. 

Fazit: Gelenkerkrankungen können auch anders behandelt werden. Der Körper kann sich auch selbst helfen und heilen. Dabei ist alles gut, was mir hilft. Nur meiner Gesundheit darf nicht geschadet werden. Nicht zu vergessen ist dabei eine positive innere Einstellung. Körper und Psyche bilden eine Einheit, die nur gemeinsam stark sind.


BMJ. 2008 Mai 3;336(7651):999-1003. doi: 10.1136/bmj.39524.439618.25. Epub 2008 Apr 3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18390493?dopt=Abstract

N Engl J Med. 2002 Jul 11;347(2):81-8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12110735?dopt=Abstract

Ann Rheum Dis. 2008 Dez;67(12):1716-23. doi: 10.1136/ard.2008.092015. Epub 2008 Jun 9. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18541604?dopt=Abstract#

Arthrose selbst heilen: Dr. Martin Marianowicz und Dr. Willibald Walter

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